Antragsteller*in: | Kajo Breuer |
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Verfahrensvorschlag: | Dringlichkeitsantrag benötigt 2/3 der Stimmen für die Zulassung |
A3: „Saarbrücker Finanzamt – Erhalten statt abreißen!“
Antragstext
Saarländische Landesregierung mißachtet Denkmalschutz, Klimaschutz und
Bürgerbeteiligung
Wie schon vielfach berichtet plant die Landesregierung den Abriss des
denkmalgeschützten ehemaligen Finanzamts-Gebäudes in Saarbrücken. Sie zeigt
dabei einen völlig verantwortungslosen Umgang mit dem städtebaulichen Erbe,
missachtet alle Belange des Klimaschutzes und setzt eigene Interessen in einem
intransparenten Verfahren rücksichtslos durch. Sie übergeht dabei die Bedenken
diverser Fachverbände und verursacht einen nachhaltigen Schaden für die
politische Kultur im Lande.
Der Gebäudebereich ist für fast 40 % der Treibhausgasemissionen, für ca. 55 %
des Abfallaufkommens und für 90 % des Rohstoffbedarfs in Deutschland
verantwortlich. Ein wesentlicher Teil der Klimagase entsteht nicht im Betrieb,
sondern bei der Herstellung von Gebäuden und Baustoffen. Darum ist es zum Schutz
des Klimas unbedingt geboten, möglichst wenig neu zu bauen und stattdessen den
Gebäudebestand zu erhalten, zu sanieren und möglichst lange weiter zu nutzen.
Durch den Abriss des Finanzamtsgebäudes würde die darin gebundene graue Energie
unwiederbringlich verloren gehen. Ein Neubau würde so viele Treibhausgase
freisetzen wie der Jahresverbrauch an Heizöl von über 1.400 Einfamilienhäusern.
Im saarländischen Klimaschutzgesetz wird den öffentlichen Stellen im Hinblick
auf die Verbesserung des Klimaschutzes eine allgemeine Vorbildfunktion
zugewiesen (§ 10). Die Landesregierung hat sich darin zur Schonung natürlicher
Ressourcen verpflichtet. Die Abrisspläne fürs Finanzamt konterkarieren diese
klimapolitischen Ziele. Dies kann nicht im Interesse der Öffentlichkeit sein.
Zur Begründung ihrer Abrisspläne weist die Landesregierung u.a. auf eine
angeblich marode Bausubstanz und hohe Sanierungskosten hin. Die Landesregierung
hat dieses Gebäude wie auch andere Baudenkmäler in den vergangenen Jahren völlig
vernachlässigt; sie hat mithin den angeblich maroden Zustand, den sie nun
beklagt, selbst verursacht. Das saarländische Denkmalschutzgesetz schließt in §5
Absatz (1) eine solche Begründung für die Aussetzung des Denkmalschutzes und den
Rückbau von öffentlichen Gebäuden ausdrücklich aus. Zudem wurden entsprechende
Belege weder dem Denkmalamt noch dem Landesdenkmalrat vorgelegt.
Als Kern-Argument zur Begründung einer Abrissgenehmigung führt die
Landesregierung immer wieder die „Schaffung einer erheblichen Anzahl qualitativ
hochwertiger Büro-Arbeitsplätze“ ins Feld. Dieses „öffentliche Interesse“ wiege
schwerer als der Denkmalschutz, und sei nur mit einem Abriss umsetzbar. Bei
unserer Podiums-diskussion mit Experten der HTW und des Denkmalschutzes im
Rahmen der Sommerstrassen wurde deutlich, dass die Herstellung hochwertiger
Büroarbeitsplätze auch in dem bestehenden Gebäude unter Berücksichtigung des
Denkmalschutzes kein Problem wäre. Und wenn bisher kein Investor ein
entsprechendes Interesse bekundet hätte, dürfte das eher daran liegen, dass es
bisher keingeordnetes Verfahren mit dem Ziel der Weiternutzung gab.
Alle von der Landesregierung für einen Abriss des Gebäudes genannten Argumente
erwiesen sich bei genauerer Betrachtung als nicht tragfähig.
Wir Grüne sind nicht gewillt, diese Situation hinzunehmen.
Die KMV stellt fest, dass die von der Landesregierung ausgeübte
Vorgehensweise hinsichtlich des Saarbrücker Finanzamtes geeignet ist, das
Vertrauen in das Handeln und die Haltung der Landesregierung zu zerstören.
Wer Gutachten, auf die sich der Ministerrat in seinen Entscheidungen
angeblich stützt, nicht der Öffentlichkeit zugänglich macht, muss damit
rechnen, dass er der Unwahrheit seiner Behauptungen bezichtigt wird.
Die KMV stellt fest, dass es unredlich ist, dem Landesdenkmalrat eine
Entscheidung in dieser Sache abzuverlangen, ihm aber die Informationen
vorzuenthalten, die dieser benötigt, um überhaupt eine Entscheidung zu
treffen. Dieses Vorgehen dient der Landesregierung lediglich dazu, eine
formale Rechtfertigung zu konstruieren, um mit Hilfe des
Bildungsministeriums als - nur dem Namen nach - oberste
Landesdenkmalschutzbehörde sich einen genehmen Beschluss zu sichern, der
den Abriss des Finanzamtes zum Ziel hat.
Die KMV stellt fest, dass dieses Vorgehen der Landesregierung den
Denkmalschutz im Saarland grundsätzlich in Frage stellt. Wenn die
Landesregierung ihre Haltung nicht korrigiert, wird niemand mehr auf den
tatsächlichen Schutz eines unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes
vertrauen können, hat die Regierung doch Sinn und Inhalt des
Denkmalschutzes beim Finanzamt für „nicht entscheidungsrelevant“ erklärt.
Diese Herangehensweise, davon wird man ausgehen müssen, wird nun im
Grundsatz für alle denkmalgeschützen Objekte gelten. Damit ist staatlicher
Willkür bei den Entscheidungen Tür und Tor geöffnet.
Die KMV fordert die Landesregierung auf, ihren in der Sache des
Finanzamtes praktizierten autoritären Führungsstil aufzugeben.
Die KMV fordert die Landesregierung auf, ein Moratorium zu verfügen, das
der Gesellschaft und der Öffentlichkeit Zeit und Gelegenheit gibt, alle
das Saarbrücker Finanzamt betreffenden Fragen ergebnisoffen zu
diskutieren.
Die KMV fordert den Kreisvorstand auf, alle rechtlichen Möglichkeiten zu
prüfen, insbesondere mit Hilfe des Saarländischen
Informationsfreiheitsgesetzes von der Landesregierung die Herausgabe aller
wesentlichen Unterlagen wie zum Beispiel das Gutachten zur Statik des
Gebäudes zu erzwingen.
Die KMV fordert die Landeshauptstadt auf, endlich ihrer Verantwortung in
dieser Frage gerecht zu werden und dafür Sorge zu tragen, dass durch das
Land ein ordentliches Verfahren praktiziert wird, um neben der Verwaltung
und dem Stadtrat auch die Bürgerschaft in die Lage zu versetzen, sich eine
eigene Meinung zu bilden. Das Beispiel der Erweiterung der Modernen
Galerie zeigt, dass die Landeshauptstadt durch Untätigkeit sich nicht wird
der Verantwortung entledigen können.
Die KMV fordert die Landesregierung auf, das saarländische
Klimaschutzgesetz ernst zu nehmen mit der Konsequenz, den Gebäudebestand
möglichst zu erhalten, zu sanieren und möglichst lange weiterzunutzen.
Die KMV unterstützt die Petition „Altes Finanzamt Saarbrücken erhalten –
Stoppt den Abriss!“ diverser Verbände aus dem Denkmal- und Umweltschutz
und fordert alle, denen eine nachhaltige Baukultur, Klimaschutz und ein
demokratisches Miteinander am Herzen liegen, dazu auf, diese zu
unterschreiben.
Begründung
Die in der laufenden Woche erfolgten Medien-Berichte über die Breitz-Affäre haben neue Aspekte zutage treten lassen, die auch für die Auseinandersetzung um den drohenden Abriss des denkmalgeschützten Saarbrücker Finanzamtes von Belang sein können. Sie rechtfertigen von daher, das Thema in Form eines Initiativantrages auf der Kreismitgliederversammlung zu befassen.